Reizflut


(Bilder anklicken, um sie zu vergrößern)







20110208: Heute nacht habe ich geträumt, ich bin ins Nichts gesprungen, weil die anderen Menschen die Erde auch ohne mich kaputtmachen. Die Welt ist trotzdem schön geblieben, das war beruhigend, im Tiefensturz trat es mir klarer vor Augen. Einiges rutscht und fällt auf dem Bild, was gibt es schon groß Neues? Es ist nur wieder eine neue Version der immerselben Inversion im Bild. Blume, Schaf, Stadt, Mensch, Kirche, Haus vom Nikolaus, Pyramidenwellen, Reizflut, Tiefe, alle sind sie da. Ach, die Zeigehand ist neu (von ihr kommen immer die Pfeile). Ein Kunstdozent oder so jemand ähnliches hat letztens (das hab ich jetzt schon oft gehört) etwas von Verdichtung und Auflösung von Linien auf einem Bild erzählt. Das ist interessant, aber es ist eine notwendige Folge aus der Rhythmus-Forderung. Diese ist übrigens die selbe, wie die Forderung nach Rundheit. Beider Zweck ist schließlich die Blicklenkung, und wenn es den Betrachter nicht ankotzt, wenn es ihn nicht ankotzen soll, dann ist es vielleicht ein gutes Bild. So viele Reden über Kunst, ich hatte gedacht, im Begriff des "Rhythmus" den wichtigsten gefunden zu haben. Vielleicht hatte ich auch recht, aber es muss noch Einiges im Drumherum gesagt werden. Los geht's: Zur Methode beim Zeichnen: Der Rhythmus ist ein Begriff, aus dem die zeitliche Komponente nicht wegzudenken ist. In der Musik ist der Rhythmus zwischen den Tönen, in den Bildern ist er zwischen den Linien. Er bezieht sich dabei immer auf das ganze Stück oder auf das ganze Bild als die Fläche, auf der der Fokus des Betrachters in der Zeit wandert (Der Rhythmus eines Bildes liegt in der Fokuswanderung des Betrachters beim Betrachten des Bildes, die sich unter anderem aus Verdichtung und Auflösung von Linien ergibt). Strukturalismus ist ein Begriff, den ich noch lernen muss. Aber vielleicht hat er hier, so meine Vermutung, schon irgendwie seinen Ort. Das zur Bildwirkung, zur Bildbetrachtung, aber zur Methode beim Zeichnen wollte ich sagen: Darum kann eine Zeichnung nur dann gut werden, wenn man beim Strich-machen nicht auf die Stelle schaut, wo man den Strich macht, sondern irgendwo anders hin, wobei das "irgendwo anders" am besten das ganze (restliche) Bild ist. Zwischenrein zwei Geschichten: Erstens: Weil alles weiterhin so schnell und noch schneller gehen soll, sind alle Höchstgeschwindigkeits-Verkehrsschilder gestern in Mindestgeschwindigkeits-Schilder umfunktioniert worden. Zweitens: Es könnte mir nicht schnell genug sein, aber es geht irgendwie im Kreis, so wie das Jahr, und der Druck in der Brust zieht die Mundwinkel nach unten. Verschiedene Definitionsversuche des Kunstbegriffs, die noch überall von irgendwoher angespült herumliegen: Der Künstler ist der intelligente Könner, oder gar der intelligenteste Könner, jedenfalls nicht nur Könner, das Wort 'Kunst' kommt zwar ursprünglich von 'können', aber im einen Sinne, meinen wir nicht auch Sportler, wenn wir "Künstler" sagen (Kunst muss wichtig sein, darum?). Irgendwelches Reformationsdenken, ein Veränderungswille geht damit natürlich einher, sonst wäre man nicht hier. Was kann der intelligente Könner, der Künstler? Naja, Rhythmus halt. Runde Sachen machen irgendwie. Und seien sie noch so offen. Ob das folgende jetzt noch ein Prädikat ist, das der Rhythmus schon notwendigerweise enthält, oder ob es der Definition noch hinzuzufügen wäre, weiß ich nicht, jedenfalls geht es weiter, im brainstorm, was ist Kunst, was ist der Künstler? Worum geht es in der Kunst? Es geht darum, etwas auszudrücken. Künstler ist, wer etwas ausdrücken kann. Was kann ausgedrückt werden? - Was Innen ist. Was ist Innen? - Gefühle. Wodurch können Gefühle ausgedrückt werden? Durch Rhythmus in Bild, Musik, Texten, irgendwelchen Gegenständen. Notwendige Voraussetzung dafür, dass es jemandem gelingt, etwas auszudrücken: Er muss etwas ausdrücken wollen, d.h. er muss ein Gefühl in sich haben, das da drinnen nicht bleiben will (kein Gefühl will bleiben), sondern das die Welt verändern will (nicht unbedingt nur in der Kunst, insofern ist Kunst nur ein Zwischenschritt oder Sublimierung, wer es so nennen will), der Künstler muss ein Gefühl überhaupt erstmal haben, um es letztlich als Material zur Verfügung zu haben, das er in seine Bilder packen kann, wo es dann möglicherweise zum Ausdruck kommt. Kunst als Spiegel der Seele blabla vielleicht. Welche Menschen wollen ihre Gefühle zum Ausdruck bringen? Die Introvertierten oder die Extrovertierten? Die Extrovertierten? - Neiiin, die drücken sich doch schon die ganze Zeit aus. Die Introvertierten? - Jap!, jeder Mensch will sich ausdrücken, die Introvertierten machen's aber nicht, darum dreht sich der Ausdruckswille in ihnen im Kreis. Die Neurotiker sind's! Aus ihren Reihen erwachsen die Künstler! Extrovertierte Menschen sind den Steinen ähnlicher, sie schwimmen mit dem Fluss und sinken dann auf den Boden. Ursache und Wirkung haben kein Zwischenspiel im Steininneren, und auch kaum im extrovertierten Menschen. Kommt was rein an Gefühl, kommt auch gleich wieder was raus. Steine sind langweilig, aber Steine und extrovertierte Menschen sind cool. Introvertierte Menschen wollen gerne extrovertiert sein (Es fühlt sich nicht gut an, wenn sich im Inneren Gefühle im Kreis drehen und man sieht auch nicht gut aus dabei). Introvertierte Menschen tendieren zum Neurotizismus und am Ende weinen sie mit der Welt und hängen sich an einen Baum. Das is nich so cool, aber so läuft's. Introvertierte Menschen müssen es also schaffen, sich zu extrovertieren, sich nach außen zu kehren und den Kreis an der Tangente abbrechen, Drehung wegschießen. Aus sich raus, aber der Kreis erlaubt den Ausbruch zunächst nicht. Also Zwischenweg suchen, erstmal ausdrücken und ne Weile reflektieren (schön klug werden die dann dabei), nach und nach den Absprung schaffen, den Akohol braucht man dann auch irgendwann nicht mehr ganz so dringend, und das Gute an der Sache: Es entstehen schöne Dinge nebenher. Darum: Künstler sind die guten Neurotiker, und am Ende werden sie auch zu Steinen, Felsen?, nein Gott ist der Felsen, Pisse in der Brandung, und Mufasa kommt und frisst sie auf (die Steine), Pflanzen gibt's auch noch (übrigens).

20110203: Dieses Bild ist in gewisser Hinsicht der Gegenpart zu seinem Vorgänger. Statt nur Strichen, nur Raum, nur Grammatik ist es fast eine Art Auflistung von Bildgegenständen, oder es ist die Szene beim Theater, wo sich die Schauspieler vorm Publikum verneigen. Viele der Protagonisten der bisherigen Bilder sind hier vertreten. Diese waren mit Kugelschreiber auf dem Bild zwar nicht zusammenhangslos, aber doch mit Abstand verteilt, bis zum ersten (und vermutlich auch letzten) Mal ein Bleistift zum Einsatz kam, um dem Bild ein bisschen mehr Dynamik zu verleihen. Als Bild ist es im Gegensatz zum Vorgänger nicht so schön, es fehlt an Tiefe, aber die Zeichenhaftigkeit des Vokabulars wurde reflektiert. Zahlen und Worte finden Platz. Der Witz mit dem logischen Schluss und das beschleunigte Haus vom Nikolaus. Während ich diese Zeilen schreibe steigt mein Hass auf die Welt ins Unermessliche, weil ich keine Zeit habe, ich muss gleich gehen und draußen schlägt ein Müllauto alarm. Darum das Weitere in liebloser Zusammenhanglosigkeit und Eile: Jedes Kreuz, das jemals auf der Welt irgendwo zu sehen war, war ein Teil des Hauses vom Nikolaus, dieses nur unvollendet. Das Format dieses Bildes ist DINA4, alle vorherigen Bilder waren etwa DINA5 groß. Zu Beginn wurde die Reihe Reizflut aber über die Größe der Bilder definiert. Mittlerweile ist es mir aber egal, da die Reihen sowieso alle irgendwie zusammengehören und die Übergänge also ruhig fließend sein dürfen. Die interessantesten Bilder sind die surrealistischen (hinsichtlich der Bildgegenstände), die virtuosesten sind die expressionistischen. Die écriture automatique ist das Ideal, gekonnt muss es aber schon irgendwie sein. Vokalinspiration. Dann wollte ich noch sagen: Schnelllebigkeit, das ist ja alles eine Folge der Verstädterung. Das Thema der Hochhäuser und der Kirche im Dorf und das verfluchte Müllauto vor meinem Fenster, ah nein, es ist ein Baukran. Verflucht sei er! Was ich auch noch sagen wollte: Die Reize machen wacher. Und hierin liegt auch der Grund fürs Komasaufen. Also: Werbung und so alles bitte einstellen und n bisschen mehr die Schnauze halten, dass alle mal zur Ruhe kommen können (hier der Hinweis: neue Reihe: Wortinflation). Und die beschissenen Motorengeräusche - verreckt da draußen (Sehnsucht nach der Gleichmäßigkeit von Zügen auf Schienen), ich vermisse Gott. Aaah, der Presslufthammer. Das Subjekt will in der Welt aufgehen. Das hinderlich Fleisch. Alles muss raus, übrigens. Das noch zum Expressiven. Jede Kunst ist expressiv. Anderenfalls ist es gar keine Kunst. Alles muss raus, Ausverkauf, dieser. Reiz. reizt. mich. aufs. Blut. Ich koche mir mein Süppchen. Brodelnde Städte. Die Penner müssen kotzen vor Langeweile. Ich muss mich übrigens stark verrenken, um die Begriffe Inhalt und Form nicht zu gebrauchen. Mein ehrwürdiger Germanistikprofessor hat empfohlen, diese zu vermeiden. Es würde gleich falsch, wenn man sie verwendete. Ich habe zwar nicht verstanden warum, aber aus Ehrfurcht halte ich mich daran. Leider konnte ich bisher auch nicht herausfinden, wie man die Begriffe denn richtig verwendet, was ja das eigentlich Interessante an der Sache wäre. Darum sind die Begriffe für mich vorläufigfürimmer verloren. Noch etwas, was ich loswerden will (an dieser Stelle nochmals die Entschuldigungsbitte für die Zusammenhanglosigkeit an den Leser, aber die Reize überall, ich muss bald schnell hier weg, wo anders hin, der Reiz stiehlt mir die Zeit): Jedes Kunstwerk ist als solches notwendigerweise auch politisch! Indem die Kunst nämlich gut ist und der Mensch sie darum gerne anschaut (auch dann, wenn sie nicht schön ist und das Hässliche zeigt), und der Mensch sich aber als Betrachter vom Kunstwerk, das nicht die Welt sondern nur in der Welt ist, früher oder später wieder abwenden muss, erkennt er die Differenz zwischen dem, was im Kunstwerk ausgedrückt wurde und den Tatsachen in der Welt, im optimalen Wirkungsfall führt die Kunst dann zur Philosophie und der Philosoph wird Politiker. Dass es in der Welt so nicht ist, dürfte zu denken geben. Auch dieser Text ist hiermit ein Kunstwerk. Die Widersprüche in der Welt und der Mensch als potenzieller Weltveränderer. Nein, der Mensch ist gar nichts anderes als Weltveränderer. Kunstwerke sind Blick- und Aufmerksamkeitslenker und helfen dem Menschen letztlich das zu sein, was er eigentlich ist. Jetzt muss ich gehen.

20110202: Das Bild trägt den Titel 'runde Ecken' und ist ein schönes. Es ist die zweite Reflexion des Strichs innerhalb von zwei Tagen, das Vorgängerbild war auch schon anders als die anderen vorher. Die Szene auf dem Piratenschiff war ganz frei im Strich, fast völlig gleichgültig gegenüber der schönen Form, die sich trotzdem eingestellt hat (nicht zuletzt aber weil die Gleichgültigkeit gegen Ende des Zeichenprozesses abgenommen hat und zwischendrin einige Striche schon glücklich verliefen). Hier jetzt Auslöser die Reflexion: Die Forderung der Rundheit für ein Bild darf nicht missverstanden werden (die vielen runden Kurven in den bisherigen Bildern könnten zu dem Missverständnis führen, der Begriff der Rundheit beziehe sich auf eben diese). Darum gab ich mir beim Zeichnen dieses Bildes nur eine Maxime: Keine Kurven. Ganz streng durchgehalten habe ich es zwar nicht, aber fast. Nur gerade Linien und Ecken, Kanten, die sich notwendig ergeben, wenn nicht alle parallel sind. Auch besinnt sich das Bild der Anfänge dieser Reihen in den 'Tiefen'. Die Bildgegenstände waren noch minimal und nur der Raum war irgendwie in der Zeit, auch dieses Bild ist wieder fast reine Grammatik. Es ist erstaunlich angenehm anzuschauen. Das mag auch daran liegen, dass ein wesentliches Charakteristikum der Reizflutbilder durch die vielen Striche und Verdichtungen minimiert ist: die grellweiße Blendefläche, Rasierklinge für die Augen, der Überreiz in Person.

20110201: Ich habe keine Zeit, dafür Unruhe genügend, die Universität macht: Ich habe keine Zeit. Darum schreibe ich heute (heute ist der Vierte) die Texte zu diesem und den nächsten beiden Bildern. Das Bild zeigt eine Szene auf einem Piratenschiff. Es ist das selbe Piratenschiff, das auch schon in der zweiten Heimeligkeiten-Zeichnung zu sehen war. Es ist also auch der selbe Käptn zu sehen, die selben Totenkopf-Flaggen, selben Kanonen, nur aus verschiedenen Perspektiven, versteht sich. Stargast in diesem Bild: Das Schwein. Es steht orthogonal auf einer Kanone und schaut in die Kamera, völlig perplex, sein Schwanz ist beinah parallel zur Lunte, verrückt. Der Neger im Ausguck sieht das ferne Schiff, Handelsschiff, vielleicht, man kann es noch nicht gut erkennen, am Horizont ähnliche Szenen, eine Hafenstadt, man ist noch nicht auf hoher See. Dennoch schon Kanonenfeuer. Man ist, vielleicht sollte das zukünftig als wesentliche Qualität der Reizflut-Bilder bedacht werden, so tief mitten im Bild, dass man darin 360 Grad schaut. Verrückte Perspektive, die Umgebung invers ins Ich des Betrachters, bitteschön. Die Möwen, oder andere Vögel. Nicht nur das Schwein ist Stargast, viel größerer, even more wellknown, Stargast ist Bow, der Tiefseepirat aus dem Kurzfilm "Auf der Planke" aus Kurzes August 2010, kurz nach seiner gescheiterten Meuterei. Unter ihm die Dreieinhalb. Wieder weiter oben, auf sicherem Boden (die Planke ist alles andere als sicherer Boden), der Schifffußboden (das Deck), dort: und ne Buddel voll Rum. Apropos Alkohol und andere Drogen (Gegenstände des Lebens): Wie die Reizflut funktioniert: Du kannst nicht stopfen deinen Mund so voll Mit Fleisch Bollen Fleischbollen Bollen Fleisch, dass alle Geschmacksknospen sind gefüllt voll gelegt damit, das Zungenwasser Appetit verlangt mehr mehr, auch in die Lunge tief gefüllt, also nimm eine Handvoll Rauch hinein, und den Kopf voll damit auch. Oder schieß eine Kugel aus der Kanone! Wer lebt, ist der Reizflut ausgesetzt. Wie kann er sie besänftigen? Pirat werden (weil er nicht Schaf ist). Viele Drogen nehmen (den Körper beruhigen), aber die Sucht kommt und reizt immer mehr immer mehr, mit der Geburt hat es angefangen, das Leben war plötzlich da und durch Reizstillung kam das weitere Reizbedürfnis und der Überrreiz ist nicht weit neben dem Gleis. Der erste, der notwendige Schritt, war der Schöpfer, jeder weitere ergibt sich, zwar ebenfalls notwendig, aber diese Notwendigkeit einzusehen, das bleibt jedem selbst überlassen. Wer erkannt hat, dass nicht der Pirat (wennauch von diesen die meisten ihr Unwesen treiben auf der Welt), sondern das Schaf und das Haus vom Nikolaus die Ideale sind, ist schon überdurchschnittlich weit gekommen. Das Schaf hat keine schlechte Gewohnheit und das Haus vom Nikolaus verkörpert die gute Gewohnheit geradezu. Was aber den größten Reiz in sich trägt, führt meist zur schlechtesten Gewohnheit. Freiheit, die von allen so unwissend geprießen wird (denn Freiheit will den eigenen Tod in letzter Konsequenz, oder nicht?), kann nur im Bruch mit dem Gewohnten sich zeigen, und der Bruch mit der schlechten Gewohnheit und die Hinwendung zur guten, das ist die eigentliche Aufgabe des Piraten auf hoher See. Wozu hat er denn seine Hakenhand? Zum Fische fangen? - Unter anderem.

20110126: Lassen wir die Kirch im Dorf: Die Welt, mal wieder, sie fällt, weil immernoch. Das Kirchengebäude seh ich gern im Dorf und gerne geh ich rein, doch drin, dok trin, hinter der letzten Tür, da sitzt der fette Papst mit seiner Spritze, Kirchturmspitze, der falsche Vater. Die Religion ist Gottes Gefängnis und die Kirche das der Religion. Hinter doppeltem Gitter sitzt der alte Mann mit Bart und schaut ganz traurig, kann sich nicht mehr am frischen Fleisch erfreuen. Wenigstens eines, denkt er vielleicht, wenigstens regnet es draußen, es gäb zwar keinen Noah, aber: Der Mensch hat das Abwassersystem und Gott sowieso keine Chance. Es regnet vergeblich in den Städten, heilt nicht die Krüppeltauben. Das Regenplätschern klingt wie tausend Telefone, klingt im Ohr, klingt Klingelingelingelingel ling ling ling klingelingtüüüütütüdüüü düdüdü, Herzstillstand Intensivstation, die Nerven der Stadt zerreißen (wie Drahtseile!!), alles, die Wolkenkratzer (dunkle Gewitterwolken über den gutmeinenden Miniaturkirchtürmen mit ihren Glöckchen), die böse Börse, Turmbau zu Babel, rutscht ab, denn: Gottes Abwasser: die Gravitation. Wer hätt's gedacht? Das Abwasser spült wie Gleitgel hinab den Bauschuttstrudel, dreht sich (wie in der Waschmaschine) nach oben, es regnet. Die Kunst hat die Zeit lange genug verarbeitet, jetzt nimmt die Zeit das Material als wär's Papier (die Literaten haben's immer geahnt, nur ein Papier und doch die Welt) und faltet's schön in sich. Manche Schafe stehen noch am Scherfließband, manche stehen schon Schlange zum Himmelstor, vielleicht lässt Petrus sich täuschen (eigentlich sind Schafe zu dumm für den Himmel, aber sie wirken so verdammt klug [weil cool]). Heimeligkeit. Heimeligkeit gibt's jetzt viel und immer mehr. Unterm fallenden Wolkenkratzer zum Bleistift. Aus den Zimmerfenstern fallen Häuser vom Nikoläuser (sie wurden aus One-Night-Stands geboren), Hotelzimmer, eine Nacht, kein Kaminfeuer, draußen vielleicht Smogsonne, keine Heimeligkeit. Wie sollte? - bei so viel Lageenergie!! Heimeligkeit ist die am Subjekt angreifende Gravitation. Ein Pfeil, eine Richtung, Tendenz, Kantenstand, schwank, Fallwunsch, Sehnsucht nach Tiefe, Thanatos?, ein Gefühl jedenfalls, die Gravitation erfüllts (ob allerdings nur scheinbar bleibt offen und das ist verheerend. Erklärung: Wer fällt, zerschellt. Und wer will das? Nun ja, man ist sich, zugegebenermaßen, nicht sicher).
Stop, inneHalt. Seit Zeitpunkt Null gab es eine Entwicklung. Alles verändert sich, entwickelt sich, jetzt, Endzeit: alles faltet sich wieder zusammen. Aber: Nehmen wir an, es ist gar nicht Endzeit, im Gegenteil, es ist noch Zeit. Wofür? Entwicklung geht von alleine. Jedenfalls: Ich hab mich nicht selbst geboren!! Und Mama sich auch nicht selbst. Vielleicht Gott schubst die Schaukel, jedenfalls: Dieses große Scheißhaus von Wirtschaft und Politik, das den Ab!wasserkreislauf bestimmt, es ist - mehr oder weniger - von alleine entstanden. Was tun? - ändern! Wie? - Nachdenken und umsetzen. Wer? - Ich geb zu, ich hab's vor. Wenn schon nicht mehr - wenigstens den Utilitarismus könnte man kennen. Und wer dann noch in den Kreislauf kackt ... die Zeichnung zeigt (Momentaufnahme, wie die ganze Reihe): Es geht. alles. zu schnell. .. Als wär die Schwerkraft nicht schwer genug zu ertragen, nein: Mach noch ne Null dran po tent siere noch ein bisschen mehr Augen schmerzen Kopf platz t mir noch in's Aus die, Frühaufstehn ist der Welten Lohn, die Sinnfrage, die Rasierklinge.
Irgendwie ist das Bild anders entstanden als die vorherigen. Große Fläche kam nach großer Fläche und dann war's auch schon gut. Flächendenken brauch ich vielleicht mal, wenn ich mehr mit Farbe mache. Vielleicht ist das Bild insofern fortschrittlich. Aber bevor die Freiheit in der Farbtechnik gesucht wird, oder gar ganz anderer Technik, erst noch ein bisschen Suche in der Linie. Kugelschreiber hab ich gern.

20110123: So viel Reizflut war nicht seit dem Bild 'Großstadt' bei den 'Tiefen'! Das Bild war lange nicht rund, daher die vielen Striche. Die ursprüngliche Bildidee war: Hommage dem Schaf (der neue Running-Gag-Bildgegenstand), aber die vielen Striche, die notwendig wurden, ließen davon nicht allzuviel übrig. Das Schaf ist so cool wie das Haus vom Nikolaus (it's just not giving a fuck). Gleiches gilt im übrigen für den autarken Elefanten, der seinen Platz im nächsten Heimeligkeiten-Bild gefunden hat. Wir hingegen geben sehr wohl einen fuck auf die Welt, die Welt nämlich fickt uns, zu viele Reize und dann noch die elende Gravitation, und uns bleibt nichts, als sie zu ordnen, immer ordnend eingreifen ins scheinbar chaotische Geschehen. So flechten wir Netze wie Spinnen und hangeln uns daran entlang, wenn wir reden und dabei in der allmählichen Verfertigung des Netzes Begriff für Begriff abtasten und vom einen zum anderen rutschen. Auch was wir sehen, hören wird geordnet, so findet sich das Netz auch im Bild und es ist irgendwie Ergebnis der gewünschten Rundheit oder andersherum. Die Bildränder bewirken das Koordinatensystem, übrigens haben auch die konkreten Bildgegenstände eine gewisse Notwendigkeit. Nicht nur jeder Strich, außer dem letzten, fordert einen weiteren, sondern auch jedes Schaf, jeder Baum fordert einen weiteren. Es sei denn, ja, es ist der letzte. Man kann von der Notwendigkeit eines Schafs an einer bestimmten Stelle im Bild sprechen. Auch solche meist rechteckigen dunklen Flächen sind manchmal nötig, um das Bild exakt auf die Kante zu stellen (es darf nicht schon fallen, nur kurz davor sein), dass es sich gerade am Schnittpunkt, am Extremum (je nachdem, was man betrachtet) befindet, wo die Gravitation letztlich der Expansion überwiegt und alles wieder zurück zum Punkt, keine Ausdehnung, alles gewesen, alles noch vor sich, nichts istgleich alles. Was die Bilder btw auch noch zeigen: dass die Zeit zu sich selbst parallel verläuft, nur so am Rande. Oder kocht Ihr Nachbar nicht Suppe, während Sie die Blume gießen? Mit der Zunahme der Striche auf dem Blatt wird es übrigens immer einfacher weitere zu machen, weil dann jeder Strich weniger wiegt und weil, wegen der vielen bereits vorhandenen, viel mehr möglich sind als wenn weniger da wären. Wenn noch kein Strich auf dem Papier ist, ist auch noch keiner möglich, aber der entschiedene Künstler macht trotzdem einen, weil er will! Dass der erste Strich nur scheiße sein kann, ergibt sich zwar daraus, aber im Nachhinein war er doch wichtig, werden wir lebensweisheitlich: Man muss nur anfangen, der Rest ergibt sich von alleine. Gegen Ende der Bildschöpfung bemerkte ich mit Aversion einen Zwang zur Rundheit im Bild. Dies scheint zunächst eine paradoxe Bemerkung zu sein, denn da die Rundheit das gewollte, angestrebte ist, wie könnte sie zwanghaft sein? Die benutzten Mittel waren es zum Teil, keine Linien endeten mehr einfach nur, alles wollte geschlossen sein, widerlich - Rundheit schön und gut, aber nicht um jeden Preis!, Freiheit als DAS Mittel muss schon aufrechterhalten werden, die Freiheit im Strich ist des Mittels (des Künstlers) höchstes Ziel, sie ergibt sich nur aus Übung, und diese braucht den Anfang (die Motivation), aus dem Bildanfang ergibt sich dessen Rundheit mit Notwendigkeit, es sei denn, das Bild bleibt scheiße, dann sowieso: ab in den Müll.
Überleitung vom allgemeinen zu den Bilddetails: Die Welt rutscht ab in ihr Inneres. Zeichen beim Menschen: Introvertiertheit und Angstangst. ÜberreizReizflut, Zeichen beim Schaf: mehr Gras. Ach ja, Thanatos lockt. Die Reizflut übrigens ist in den Strichen, die kreuz und quer irrlichtelieren .., die Heimeligkeit sitzt im Detail (realisierte Bildvokabeln): Das Herz vom großen Schaf, die Schafe, HvNkläuser, Kirchen und das Schloss und die Gravitonen (unsichtbar im Bild)!!! Städte in Städten und unter Wolkenkratzern versumpft: das stille Landleben, die Kirche im Dorf. Schlagzeilen als DAS Symptom von Überreiz: Rettung vor Haifisch in letzter Sekunde!

20110118: Verschiedene Gedanken:
1. Allgemeiner Gedanke zu den Bildern:
Was in der Musik die Töne sind, sind in den Bildern die Farben. Was in der Musik zwischen den Tönen ist, ist der Rhythmus selbst, was in den Bildern zwischen den Farben ist, sind die Linien, die sich aus den Farbgrenzen ergeben wie sich in der Musik der Rhythmus aus den Tongrenzen ergibt. Auch in den Bildern nun liegt in den Linien unmittelbar der Rhythmus des Werks, der dessen eventuellen Kunstgehalt maßgeblich und darum primär und primär und darum maßgeblich konstituiert. Nämlich ist die Komponente 'Zeit', die der Rhythmus rhythmisch (das bedeutet 'wohlgeordnet') wohl ordnet auch schon in den Linien (nicht aber in den Farben), da die Linien nur dem einen Zweck dienen: nämlich den Blick des Betrachters zu lenken, oder (was schöner, und darum dem Thema angemesser, klingt): ihn zu führen. Eine Runde Sache wird daraus, wenn wir sagen (was ich hiermit behaupten [also festlegen]) will, dass: - 'führen' 'wohllenken' bedeutet. Der Rhythmus führt den Betrachter, das heißt: er zeigt ihm die Ordnung des Bildes (indem das Betrachten nur in Zeit geschehen kann), die eine gute Ordnung ist (wobei jede gute Ordnung DIE gute Ordnung ist, wenigstens indem sie davon ein Teil), sodass sich im Kunstwerk zeigt (entgegen dem Banausengesabbel, die paradox [und darum dumm] vermuten, das wohlgeordnete sei beliebig): Was sich hier zeigt, ist nicht egal (Die einzelne Linie ist egal [insofern sie sich selbst nicht schneidet], die Linie neben einer anderen nicht [gefühlte Interferenz].), es ist rhythmisch und darum Kunst (und hier sei wieder an Schwitters erinnert [Rhythmusmeister], der [ich wiederhole das Zitat] sagte: "Was Kunst ist, wissen Sie ebensogut wie ich, es ist nichts weiter als Rhythmus." (Würde der Text noch weitergehen, dann so: Um Kunst zu sein, muss ein Werk rhythmisch sein. Um rhythmisch zu sein, muss der Künstler fühlen, was Rhythmus bedeutet. Um zu fühlen, was Rhythmus bedeutet, muss er wissen, was die gute Ordnung ist. Um das zu wissen (oder wenigstens einigermaßen fähig zu sein, darüber nachzudenken), muss er auch Philosoph sein, also: Jeder Künstler muss notwendigerweise auch (mindestens ein bisschen) Philosoph sein.)
2. weiterer allgemeiner Gedanke, dieser zur Entstehung der Bilder:
Im Leben/ in der Welt: Alles geschieht mehr oder weniger zufällig (manches sehr wenig zufällig: notwendig), und wenn es dann geschehen ist, dann ist es die Welt. - Analogie: - In den Bildern: Die Hand schwingt mehr oder weniger zufällig übers Papier (der Steuermann schreit zwar: Es ist notwendig!), aber der Steuermann rudert durchs Wellenmeer (der Wind im Papier), nur eine Entscheidung ist absolut (und die macht Gott zum Schöpfer): Jetzt ist's fertig, der siebte Tag kann kommen (Nie sollte Montag auf Sonntag folgen).
Erste (ebenfalls einigermaßen zufällige) Ursache: Gottes Geburt. Hinweis: In der Drehung im Bild zeigt sich des Urknalls nachstürmen (der Urknall war ein Wirbelsturm), noch immer schlägt er Wellen. Auch das Haus vom Nikolaus entfaltete sich aus dem Massepünktchen unendlicher Dichte (nur gott war dichter).
3. kurzer Hinweis:
Heimeligkeit ist Romantik.
4. Menschen hassen lesen:
Bilder in der Zeitung wecken eventuell das Interesse für den Text. Meine Bilder sollen auch das Interesse für meine Texte wecken. Meine Texte sind ungefähr tausend wichtiger als meine Bilder (Dies gilt nicht nur für meine Texte und Bilder). Die rein literarischen Texte wiederum verhalten sich zu den philosophischen wie die Bilder zu den literarischen Texten.
5. Abstraktivität
Die Bilder sind einigermaßen abstrakt. Indem der Raum zwischen den Linien und die Zeit mit den Linien selbst dargestellt werden sollen, maximal abstrakt. Die Details, das speziellere Vokabular im Bild ist etwas weniger abstrakt, einigermaßen beliebig, oft lustig. Raum und Zeit sind niemals lustig. Es sei denn manchmal doch. Einmal hat einer Raum mit Zeit verwechselt, der hat dann nicht mehr nach Hause gefunden. Am nächsten Tag ist es ihm wie Schuppen von den Augen gefallen.
6. in der Nachfolge
Alles begann mit den Heftrandzeichnungen (Tiefensehnsucht).
Siebtens und letztens (zur aktuellen Zeichnung):
Die Gravitation macht den Urknall rückgängig. Darum: In der In-sich-zurück-Drehung zum Mittel(damals-vor-Urknall)-Punkt drehen sich die Kirchen, Dörfer, Schlösser, Schafe, rutschen alle, am Abhang, Abgrund des gebeugten Raumes, auch die Häuser vom Nikoläuser. Das ist auch allgemeines Thema (gerade frisch erkannt) der Reizflut-Zeichnungen: Der Urknall und seine weiterwährende Drehwirkung und die entgegengesetzte, die zurück will (Heimeligkeit - Thanatos), schaue ich in meine Mitte, schaue ich weiter, konsequent, subtrahiere ich, finde ich: Ich. Und das ist (was bleibt?) - nichts, aber außenrum ist Zeug, also bleibt vielleicht nur: Thanatos. Im Universum, dem ganzen, gesehen ist Thanatos - die Gravitation!!! Der Expansionswille weiß von seiner Vorläufigkeit, wenn er nur weit genug schaut und Schwarz mit Weiß vergleicht. Ein Schaf hat sich erhängt! (An Schafen habe ich neuen Wohlgefallen gefunden seit Peter auf der Alm.) Als erstes am Morgen bemerke ich: Die Gravitation. Als letztes am Abend: Kopfschmerzen, die sagen: Knall deinen Kopf auf den Boden, entschlafe tief der Welt, Gravitation, Strudel ins innere Nichts (Sehnsucht nach Ruhe), gute Nacht.

20110111: Back to the roots nach kurzem Exkurs ins Detail, nun wieder die Flut, die übers Auge schwemmt. Hinter dem Auge das Ich, dass da sitzt und fordert: Bild, sei rund!, d.h. habe in mir deinen Bezugspunkt. Strafe bei Nichtbefolgung: Nichtgefallen. Perspektive mit Fluchtpunkt im Betrachter, egozentrisches Weltvollbild, Kafka war einmal ein großer Zeichner. Mauerschau: Mauer entspricht dem unteren Lid. Am Augenrand (Sichtrand ist Nichtrand, jedenfalls finde ich den Rand nicht, wenn ich mit dem Fokus suche), da knickt doch alles ab, Weltrandwasserfall. Die Rundheit der Erde, die Rundheit des Augenapfels, die Pseudo-Rundheit des Ichs, daher seine Forderung, - mach!, aus dem Rechteck ein Quadrat, daraus einen Kreis und den Kreis, mach ihn kaputt, aus Hass, denn er ist nicht rund genug und langweilig wie arsch. Darum das Vokabular: Weltrand, Rutschdorf, kippt, Baum und alles in allem, invers, die Blumen und Häuser, d. i. d. H. v. N.k.l., der virtuose Schöpfer!! (kniet vor dem Bild wie Narziss überm See), die Theodizee: Wie kann es die Reizflut geben, wenn Gott gut ist?, diese Frage ist falsch gestellt. Reize sind nicht entweder gut oder schlecht, sie sind Beides, aber niemand weiß wann was, und vor allem: wie? Immerhin ist uns der Begriff gegeben (darum dürfen wir über die Tiere herrschen), und die Geschichte der Welt ist längst vorbei, und doch schreitet sie fort, parallel zur Entstehung der Zeichnung: Jeder Schritt macht einen weiteren notwendig, und man ist nicht immer im Voraus klug genug zu wissen, welcher der richtige ist und nicht immer hat man genug Zeit zum Nachdenken. Der erste Strich ist hässlich doch rückblickend war er gut, der letzte ist der schönste, macht aus der gekrümmten Linie einen Kreis. Die Welt kann so unruhig sein wie sie will, man braucht nur einen einzigen Punkt, um sagen zu können: hier lege ich mich unter Dach und Decke, sollen doch die anderen draußen rennen, ich habe keine Tür, also wer sollte sie aufbrechen. Still liegt der Schlafende, auch still, aber nur weil der Schrei zu laut ist, um ihn zu hören, liegen Abgrund und die vermeinten Treppen.

20110110: Ritterburg. Der Titel dieses Bildes ist Ritterburg.
Die letzten beiden Bilder der Reihe lassen fast eine neue Reihe vermuten, doch bin ich mir in diesem Punkt noch nicht sicher. Es wird sich letztlich zeigen, welche Merkmale charakteristisch für die Reihe sind. Es war jedenfalls von Anfang an das Programm der Zeichnungen, eine Reaktion in der Weise auf die Reizflut in der Welt zu sein, dass der Schwung der Schnelllebigkeit noch in den Linien, diese sich aber ins Bild werfen, dass sie dort rund für immer in Eigendrehung weiterlaufen können, raumordnend, den Blick klar führend, Orte schaffend, denen gleichsam ein Dach gegeben ist, unter dem sich der Betrachter im Bild einheimeln kann, zusammenkauern unterm Regengeprassel draußen kalt in der bunten bunten Nacht, sicherheitgebend mit abwehrender Hand gegen das Herzhämmern Herzhämmern vom Überreiz.
Kurz: Es ist nicht weiter ungewöhnlich oder gar der Reihe nicht gemäß, wenn sich die Linie mehr und mehr selbst findet, da sie ja eine andere Beschäftigung gar nicht kennt als diese, sich selbst zu suchen.

20101219: Diese Zeichnung ist schon vor 3 Tagen entstanden!, sie lag 3 Tage lang auf meinem Schreibtisch, während denen ich vermutete, noch irgend einen Aspekt ihrer Unfertigkeit schließlich zu entdecken, ihre Unvollkommenheit, nur scheinbar perfekte Rundheit zu enttarnen, endlich doch noch einen nötigen weiteren Strich zu sehen, der noch getan werden müsste, doch vergeblich: Je länger ich die Zeichnung betrachte, desto perfekter erscheint sie mir zu sein. Das heißt nicht, dass ich sie darum lieber anschaute als die meisten anderen meiner Zeichnungen (denn wenn ich nicht auch diese für perfekt [also für 'fertig, weil rund'] erachten würde, dann fänden sie sich entweder bereits zerknüllt im Müll, oder ich würde ihnen noch weitere Striche hinzufügen), doch das Gefallen, das ich an ihr finde, erstaunt mich mehr als bei den anderen Zeichnungen, da sie der Striche schlicht so wenige benötigte. Weshalb dies so ist, mich darüber auszulassen, fehlt mir hier sowohl die Zeit als auch der Platz.
Dabei liegt ihre perfekte Rundheit nicht nur in den Linien, sondern auch und vor allem im Inhalt, den das Vokabular des Bildes (Sie erinnern sich) bewirkt, wie auch in dem, was zwischen Linien und Inhalt liegt, nämlich die Blickführung als Wirkung der Linien (Linien schaffen den bloßen Raum im Bild [Grammatik/Form des Bildes], bewirken Blickführung [Tiefe durch Verhaftung der Augen], Figuren schaffen die Geschichte im Bild [Vokabular/Inhalt des Bildes], bewirken Gedankenführung [Tiefe durch Verhaftung der Gedanken] - Rundheit, Perfektheit in beiden durch den Zirkel im Verfangensein in der Tiefe und der Wärmeempfindung, die daraus resultiert, dass man endgültig verloren ist und darum langsam damit aufhören kann, zu sein, mindestens insoweit man einen Ort gesucht hat, an dem man sein möchte, auf den alles Interesse gebündelt werden kann, Ende der Existenz als Suchender, das Bild als Heim, Kaminfeuer (heimelig - draußen ist es kalt), die Augen und die Gedanken wollen dort gerne wohnen bleiben). Wieder einmal ein Verweis auf die beiden Reihen, die zu dieser im engen Zusammenhang stehen: Tiefen und Heimeligkeiten.
In beinah stichworthafter Kürze meine Empfindung zu dieser Zeichnung: Der Geißenpeter auf der Alm, Heidi in der Hütte des lieben Großvaters Alpöhi, der Bergsteiger, tief unten im Tal: die Stadt, der Kirchtum, dessen Uhr, der Wolkenkratzer; vier Stellen der Heimeligkeit: Die Geborgenheit vor dem und durch den Wolkenkratzer in der Stadt, die Freiheit von der Beklemmung in der Stadt im Geißenpeter, in diesem Zusammenhang die Friedlichkeit auf der Alm und in der Hütte und die Freiheit, weil Verlorenheit des Bergsteigers, der, ganz nebenbei bemerkt, eine wunderbare Aussicht genießt, während er so im Zwischen hängt.

20101210: Wohin sich retten? - In die Tiefe! Da ist man daheim. Wovor sich retten? - Vor der Reizflut. In der Tiefe sitzen bleiben, wohnen, der Reizflut in Trennwand, ich schaue ins Aquarium, der Fisch glubscht blau, gegenüber: Ordnen, eins nach rechts, das andere nach links. Und so bleibt ihr liegen, ich bleibe sitzen. Viel mehr noch, viel, viel mehr noch muss über Rhythmus des Bildes und die immanente Blickführung geschrieben werden. Schließlich machen diese das Kunstwerk aus. Ein letztes Mal muss ich es sagen: der Anstoß stammt von Schwitters. Die Kunst liegt im Rhythmus. 16,3% meiner verbleibenden Lebzeit will ich darauf verwenden, darüber nach- und daran weiterzudenken. Und zwar gilt das für alle Kunst. Für die Literatur, die Musik und die bildende Kunst. Was die Musik angeht, muss ich mich mal weiter damit beschäftigen, was der Professor Luckner dazu erzählt. Im allgemeinen lässt sich vielleicht auch Kants Kritik der Urteilskraft vor diesem Hintergrund einfacher lesen und verstehen, aber ich kenne davon zu wenig, als dass ich es mich jetzt getrauen würde, darüber zu reden. Irgendwas habe ich bezüglich des Begriffs der "Erhabenheit" im Kopf, das dazu passen würde. Hat aber vielleicht alles noch Zeit. Solange ich schon im Gefühl, in der Intuition habe, was Kunst ist, kann ich Kunst produzieren, oder mich wenigstens immer weiter daran annähern. Verstehen kann dann nachgeordnet werden. Wie immer im Leben, man lebt ja notwendigerweise schon, bevor man versuchen kann, es zu verstehen. Aristoteles' Metaphysik ist das glaub ich, wo das auftaucht: Die Erfahrung ist im Leben erstmal nützlicher als die Weisheit. Die kommt danach und ordnet sich dann davor. Weil der Text zu diesem Bild sonst zu lang wird: Bei den nächsten Bildern kann darauf näher eingegangen werden, Stichworte: 1. Blickführung, Ruhe und Bewegung, und immer in die Mitte zurück - Kunstwerk. 2. Ordnendes Eingreifen ins Durcheinander, Linien, Begriffe, Sichtfenster. - Verzerrung der Wirklichkeit.

20101209: Ein farbiges Bild in der Reihe "Reizflut"! Es gehört nicht zu den Heimeligkeiten. Ich kann nicht in der Kürze und auf befriedigende Weise erklären warum, darum belasse ich es bei dem Kommentar: Es liegt am Format. Das Format reguliert das Bild. Ich frage mich, ob das Weiß des Papiers auch bei meinen farbigen Bildern immer bleiben muss. Auch frage ich mich, ob ich, wenn ich die Bilder für ein Publikum ausstellte, die Originale nähme, oder ob ich große Drucke davon anfertigen ließe und diese als neue Originale autorisierte. Die Bilder wirken am PC größer und klarer als in echt. Sie sind in echt nicht viel weniger klar, aber viel weniger scheinbar groß. Ihre Größe genügte dem Einzelnen in einem Bildband unter der guten Lampe, aber in einem Ausstellungsraum - ich glaube, da müssten sie schon Metergröße haben. Dabei: Wenn ich sie gleich auf Metergröße zeichnete, so würden ganz andere Bilder entstehen. Man sieht es ja schon bei den Heimeligkeiten. Das sind andere Bilder, wegen des größeren Formats. Es macht schließlich einen Unterschied, ob die Linien aus dem Handgelenk oder dem schwingenden Oberarm kommen.

20101208: Wie schön!, es gibt wieder eine Blume, ein Strichmännchen, und(!): Häuser vom Nikoläuser, viele Häuser vom Nikoläuser! Der Weg, die Treppe. Sie könnten (werden bestimmt) noch öfter Thema werden. Die Reizflutwelle bäumt sich auf, der kartesisch geteilte Raum kann seine scheinbare Ordnung nicht länger aufrechterhalten. In all dem Durcheinander: Es ist des Menschen harter Kern, ihm notwendige Bedingung, sonst ist er blind: Die Ordnung, sie soll sein!, niemals wird sie aufgegeben, sie bleibt das Schwert im Kampf gegen die Reize von Rechts, von Links, von Oben, Unten, Hinten, Vorne, Mitte, Außen. Es komme was wolle, es komme so viel da wolle! Chaos, Anarchie der Hitze, es werden dagegen immer Linien gedacht, der Raum nach hier und dort geteilt. Hier ist nicht dort und dort ist nicht hier. Mehr Gewissheit braucht er nicht und kann sich, vielleicht, hoffentlich, bestimmt!, nach Bestimmung (Abgrenzung) retten, er sagt: so meine Bestimmung, im Schatten ein Plätzchen suchen und sagen: Das kann ich, weil ich sehe, dort ist es heiß und ich bin von da weggegangen.

20101207: Erst hiermit wird die Reihe langsam ihrem Titel gerecht. Die Strichmännchen sind auf dem Vormarsch und - zu meiner großen Freude - auch die Häuser vom Nikoläuser! Die folgenden Bilder der Reihe beherbergen sie zunehmend. Ich finde - es erstaunt mich - keine Blume auf dem Bild. Dafür ganz erfreulich neues anderes Vokabular: einen Seiltänzer, Helikopter, einer hängt am Galgen; die Kirche ist altbekannt. Ganz besonders sympathisch ist mir der Bauer auf dem Felde und die Schafe, die stehn da rum.

20101206: Das Bild heißt "Damals und heute". Viel gibt es darauf nicht zu sehen und überhaupt ist es ziemlich unspektakulär. Und doch ist es fertig, so wie es ist. Einen solchen zweistelligen Titel gab es bisher noch nicht. Eine Burg, ein Haus, ein Hochhaus, ein Schwert. Es hat sich irgendwie ein Thema ergeben. Eine Blume ist so groß wie ein Haus, das ist schön. Einzig möglicher Schluss: es überlappen sich zwei Perspektiven. Das Bild widerspricht dem aber irgendwie. Auf dem Hochhaus wächst eine andere Blume. Das ist irgendwie auch schön. Dass ich das schön finde, ist irgendwie witzig.

20101123: Hier gibt es viel Dunkel, viel Verdichtung. Das ist schön, aber es ist nicht oft möglich. Das Papier erlaubt nicht oft so viele Striche und ehe man sich's versieht sind's gleich zu viele geworden. Dafür gibt es hier weniger Inhalt. Vielleicht ist es ein Spiel zwischen vagen Strichen und klar definierten Objekten, die sich innerhalb eines Bildes einander entgegengesetzt proportional verhalten müssen, dass das Bild nicht seine Rundheit verliert. Vielleicht, nein bestimmt, gibt es da ein Optimum in deren Verhältnis.

20101118: Ich hoffe, dass die kühnen Neuerungen dieses Bildes in der Reihe ihre Fortsetzung finden werden. Das Bild ist aufgesprengt, ein Strichmännchen behauptet seine Position (vllt kann auch hier das Vokabular erweitert werden). Die Bildgegenstände (das Realisierte Vokabular) ist eigenständiger geworden. Bloße Striche verlieren an Dominanz, die Aufteilung des Raumes im Bild erreicht eine größere Bestimmtheit. Altbekannte Themen wiederholen sich, gleichzeitig aber: witzige Neuerungen finden Platz: Ein Drache ragt ins Bild, Häuser können in Blumen sitzen. Das Männchen schaut durch den gebrochenen Raum, der Kubismus schafft sich Raum.

20101110: Es kann dem Bild nicht schaden, wenn ein Text dazu geschrieben wird. Es sei denn, der Text würde auf das Bild geschrieben, denn damit würde das Bild verändert. Text, der nicht zum Bild gehört, verändert das Bild nicht, es bleibt wie es ist, also kann solcher Text dem Bild nicht schaden. Nutzen kann er dahingegen sehr wohl. Kann Analysieren und Interpretieren. Zwar möchte ich vor allem einen Text zu der Reihe als ganze schreiben, doch weiß ich selbst, dass lange zusammenhängende Texte nicht gerne gelesen werden, darum schreibe ich einen kurzen Text zu jedem Bild. Dabei soll es, obwohl die Texte jeweils zu einem Bild gehören, eigentlich immer um die ganze Reihe gehen. Auf das Einzelne Bild kann, wenn es sich anbietet, dennoch eingegangen werden. So muss mir auch jetzt nicht gleich alles einfallen, was ich zu der Reihe gerne sagen möchte, sondern mit jedem Bild ergibt sich von Neuem die Möglichkeit, einen (weiteren) Aspekt vielleicht besonders hervorzuheben. Der Erste sei: Die Reihe "Reizflut" ist die Fortsetzung der Reihe "Tiefen". Die Bilder der Reihen "Tiefen", "Heimeligkeiten" und "Reizflut" könnten grundsätzlich zu einer einzigen Reihe zusammengefasst werden. Sie gehören eigentlich zusammen, ihre Titel beschreiben nur verschiedene Aspekte, die auch charakteristisch für die jeweils anderen Reihen sind. Zunächst gab es nur die Reihe "Tiefen" und die Reihe "Heimeligkeiten", die sich darin unterschieden, dass die Bilder der Reihe "Heimeligkeiten" im Gegensatz zu den "Tiefen" farbig und größerformatig waren. Zudem dachte ich, diese Veränderung wäre ein Fortschritt und das Zeichnen weiterer Bilder im Stile der Tiefen (also ohne Farbe und auf kleinerem Format) wäre ein Rückschritt. Da die Reihe "Tiefen" auch noch irgendwie eine Runde Sache war, bezeichnete ich sie als abgeschlossen. Das letzte Bild der "Tiefen" entstand Anfang Juli 2010, das erste der Reihe "Reizflut" Anfang November. Wegen der Rundheit und Abgeschlossenheit der "Tiefen" und auch alleine wegen des zeitlichen Abstands, beschloss ich die Reihe "Tiefen" so zu belassen und eine neue Reihe mit dem Titel "Reizflut" beginnen zu lassen. Die "Tiefen" sind sowohl der Ursprung der "Reizflut" als auch der "Heimeligkeiten", wobei die Bilder der Reihe "Reizflut" die direkten Nachfolger der "Tiefen" sind und die "Heimeligkeiten" auf andere Weise darauf aufbauen. "Reizflut" und "Heimeligkeiten" stehen sich jetzt als die beiden parallel fortlaufenden Reihen gegenüber. Seit dem 09.12.2010 ist allerdings die Farbigkeit kein notwendiges Unterscheidungsmerkmal mehr, da auch Bilder der Reihe "Reizflut" farbig sein können. Der Unterschied zwischen den "Heimeligkeiten" und den Bildern der Reihe "Reizflut" besteht also in ihrem Format. Als akzidentieller Unterschied kommt noch hinzu, dass die Farbe bei den "Reizflut"-Bildern ausschließlich von Holzstifen stammt, bei den "Heimeligkeiten" wird auch und vor allem Acrylfarbe verwendet.

20101109: Nachträglich in die Reihe doch noch aufgenommen. Erst fand ich das Bild scheiße, vernichtet habe ich es dennoch nicht. Jetzt finde ich, es gehört dazu.





zurück

right
Es sei denn ...